Der Beitrag mag ein bisschen gegen so manche Verklärung der DDR-Verhältnisse gegenwirken. Beeindruckend für mich ist der Eifer und die Gründlichkeit, mit der die DDR Staatsmacht für sie bedrohlich gesehene Tendenzen im Staat verfolgt hat. Das dürfte bei der Gestapo nicht anders gewesen sein. Aus meiner Sicht mutet das schon fast lächerlich an, für die damals Betroffenen war es das sicher nicht.
Solche Dinge waren ja nachvollziehbar. Natürlich hatte der Staat Angst um die ideologische Entwicklung seiner zukünftigen Intelligenzija.
Was mir persönlich mehr zu schaffen machte war die Impertinenz, Kleinkariertheit, Borniertheit und perfide Gemeinheit der Einrichtung. Dazu ein Beispiel, das mir ein Freund erzählte nach dem Fall der Mauer: 1975 zog seine Familie in ein neues Haus, dessen Nachbar bei der Stasi arbeitete, ein höheres Tier. Man verstand sich so leidlich, dann gab es auch mal Knatsch und schliesslich lag man sich in den Haaren wegen der Grundstücksgrenze. Eines Nachts rückte die Stasi an. Auf ihrem Estrich läge eine Hakenkreuzfahne! Tatsächlich fand man auf dem Estrich eine Hakenkreuzfahne, von der keiner wusste, wo die herkam. Die Familie musste umgehend ausziehen. Die Mutter wurde mit einem Jahr Haft bestraft, der Vater ging für volle 8 Jahre in den Stasi Knast Bautzen. Ich habe ihn persönlich gefragt wie das war, aber er konnte nicht darüber reden, nicht einmal Jahre danach. Von meinem Freund erfuhr ich nur, dass weil der Vater dort im Knast alle Heizkörper reparieren konnte, durfte die Familie einmal im Jahr draussen vor dem Knast entlanglaufen, damit sich der Vater ansehen konnte, wie seine Kinder aussehen.
Staat, Partei, Stasi, das waren vor allem riesige Apparate, die um sich selbst kreisten. Da wurden Existenzen zerstört aus dem Nichts. Mit einem Fingerschnippen. Wer was sagt ist als nächster dran. Es ging dabei gar nicht um Politik, Meinungen, Haltungen sondern nur um Kontrolle. Deshalb auch der Riesenaufstand wegen der paar Flugblätter.