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Dieses Thema hat 31 Antworten
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MartiS2 Offline



Beiträge: 7.188

28.09.2007 01:03
Justiz auf Abwegen Antworten
Ist das Urteil eigentlich nicht praktisch? Gäfgen kommt frei und wird bei nächster Gelegenheit analog zu seinem Opfer 'entführt'. Der 'Entführer' wird festgenommen und ein Polizist kurz vor Pensionsalter droht ihm 'Folter' an. Ergo passiert dem 'Entführer' nichts, der Polizist hat einen kleinen, aber für ihn verkraftbaren Beitrag geleistet.

Alles mit dem Segen des EU Gerichtshofs.

Gruß, Martin
Spock Offline



Beiträge: 2.377

28.09.2007 07:35
Justiz auf Abwegen Antworten

Zitat:

Es geht hier nicht um Täterschutz, sondern um den Schutz des Rechtsstaates




Ja, das haben doch alle verstanden, Lexx. Aber was ist ein Rechtsstaat wert, der solch üble Täter nicht hinter Schloss und Riegel bringen kann?

Martins Gedanke ist mir ähnlich auch gekommen. Ein Freispruch Gäfgens ist quasi eine Einladung für ähnliche Verbrecher, sich auf harte Verhörmethoden zu berufen und damit Aussagen und Beweise nichtig zu machen.

Kliemann Offline

Besucher

Beiträge: 28

28.09.2007 09:08
Justiz auf Abwegen Antworten

Zitat:

F-W schrieb am 27.09.2007 21:34

Zitat:

Kliemann schrieb am 27.09.2007 13:00

Und wie dringen derlei Informationen in den Gerichtssaal ?
(Stellen wir uns mal nicht ganz dumm: Polizeiinterna dieser Art bleiben meist unter Kollegen und werden nach aussen hin abgestritten.)


Daschner hatte im Wissen um die Grenzwertigkeit seines Vorgehens seine Vorgesetzten informiert und so auch die Ermittlungen gegen sich selbst ausgelöst. Es hat nie den Versuch gegeben, das Vorgehen der Beamten zu vertuschen.

FW



Ich gehe davon aus, dass "Daschner" einer der verhoerenden Polizisten ist - das wusste ich nicht und somit wird mir auch der Zusammenhang klar. Besten Dank.

Ansonsten bringt es Lexx auf den Punkt.

kater_5 Offline

Besucher

Beiträge: 1.018

28.09.2007 09:35
Justiz auf Abwegen Antworten

Zitat:

Aber was ist ein Rechtsstaat wert, der solch üble Täter nicht hinter Schloss und Riegel bringen kann?




Zunächste mal sass da nur ein Verdächtigter, der mit Androhung von Folter zum Reden gebracht werden sollte. Ob der das wirklich war, wusste man erst nachher.

In die Situation als Beschuldigter kann jeder von uns kommen. Und eben u. U. auch Dinge gestehen, die man gar nicht getan hat oder Dinge, die mit der eigentlichen Tat gar nichts zu tun haben oder andere erhebliche Konsequenzen haben.

Und davor möchte ich optimal geschützt werden. Gerade auch als Nicht-Täter.

Und tatsächliche Täter kommen dann nur frei, wenn die Polizei sich nicht an die Regeln hält. Aber das liegt ja an ihr.

Gruss
Kater

Spock Offline



Beiträge: 2.377

28.09.2007 09:42
Justiz auf Abwegen Antworten

Zitat:

Zunächste mal sass da nur ein Verdächtigter, der mit Androhung von Folter zum Reden gebracht werden sollte. Ob der das wirklich war, wusste man erst nachher.




Nun, immerhin ein Verdächtiger, der das Lösegeld nachts an gottverlassenem Ort abholte UND der Opfer und Familie nachweislich kannte.

Zitat:

wenn die Polizei sich nicht an die Regeln hält. Aber das liegt ja an ihr.




Wie ich schon mehrfach sagte: Die Polizei wollte das Leben des Opfers retten, das scheint dich nicht zu interessieren. Du hast ja selber Kinder. Ich würde gerne mal wissen, wie du über deinen proklamierten bestmöglichen Nicht-Täter-Schutz denken würdest, wenn eines deiner eigenen betroffen wäre.

kater_5 Offline

Besucher

Beiträge: 1.018

28.09.2007 10:12
Justiz auf Abwegen Antworten
"Die Polizei wollte das Leben des Opfers retten, das scheint dich nicht zu interessieren."

Doch, ich hätte das vermutlich an deren Stelle genauso gemacht. Wobei es Polizeipsychologen gab, die die Androhung für Folter an der Stelle für unnötig erachtet haben. es gibt da subtilere und vor allem zulässige Methoden.

Davon abgesehen kann ich mir auch vorstellen, dass mein Sohn, nachdem er irgendeinen Blödsinn gemacht hat (so als 16 Jähriger soll das ja passieren), auch mal als Beschuldigter da sitzt. Und dann möchte ich nicht, dass ihm irgendein Polizist ein paar auf die Nase haut, weil er sich davon eine Aussage verspricht.

Gruss
Kater


Spock Offline



Beiträge: 2.377

28.09.2007 10:31
Justiz auf Abwegen Antworten
Nee, ich meinte, da sitzt einer im Verhörzimmer, der deinem entführten Sohn Nachhilfe gab und den die Polizei beim Abholen des Lösegeldes aufgriff. Der sitzt da und sagt nix, während das Kind irgendwann wahrscheinlich erfriert, verdurstet, erstickt. Was würdest du der Polizei raten: Langsam weichkochen, damit er auch ordentlich verurteilt wird oder aus ihm rausholen, wo dein Sohn ist?

Zitat:

Wobei es Polizeipsychologen gab, die die Androhung für Folter an der Stelle für unnötig erachtet haben. es gibt da subtilere und vor allem zulässige Methoden.




Das mag sein. Genauso sicher gibt es aber auch immer Leute, die es hinterher besser wissen.

F-W Offline




Beiträge: 1.679

28.09.2007 12:03
Justiz auf Abwegen Antworten
Bei der Folterdrohung ging es ja darum, möglichst schnell den Aufenthaltsort des Jungen herauszubekommen und nicht um ein Geständnis. Die Täterschaft glaubte die Justiz auch vorher schon gerichtsfest beweisen zu können.

Deswegen konnte das Gericht auch die mit der Drohung erwirkte Aussage über den Aufenthaltsort bei dem Schuldspruch ausser Acht lassen.

Nur wenn die Verteidigung belegen kann, dass es ohne die erpresste Aussage nicht zu einem Schuldspruch hätte kommen können, dann hat Gäfgen eine Chance.

FW
DP Offline



Beiträge: 5.248

28.09.2007 13:23
Justiz auf Abwegen Antworten

Zitat:

F-W schrieb am 28.09.2007 12:03

Nur wenn die Verteidigung belegen kann, dass es ohne die erpresste Aussage nicht zu einem Schuldspruch hätte kommen können, dann hat Gäfgen eine Chance.

FW




Naja genau darum gehts ja. Die Ermittlungen waren ja fast beim Stande Null und es gab erstmal nur einige Indizien; Lösegeld und Bekannter der Familie. Sämtliche Beweise und Aussagen folgten nach der 'Folter'.

kater_5 Offline

Besucher

Beiträge: 1.018

28.09.2007 14:59
Justiz auf Abwegen Antworten
Naja, das Lösegeld abzuholen ist ja schon ein starkers Indiz.

Gruss
Kater
DP Offline



Beiträge: 5.248

28.09.2007 15:04
Justiz auf Abwegen Antworten
Richtig, aber beweise mal jetzt, dass das genügt um den Typen zu überführen. Das wird wohl unmöglich sein.
Spock Offline



Beiträge: 2.377

28.09.2007 15:20
Justiz auf Abwegen Antworten

Zitat:

Naja, das Lösegeld abzuholen ist ja schon ein starkers Indiz.


Ja, da hätte er aber noch sehr lange behaupten können, er sei zufällig nachts im Wald spazieren gegangen. Aber er kannte das Opfer nachweislich (gab wohl Nachhilfeunterricht).

Damit wäre es ein Fünfer im Lotto, wenn er mit der Entführung nichts zu tun hätte. Natürlich immer noch kein Beweis.

Sie hatten also den Täter und damit wäre es nur eine Frage der Zeit, ihm das wasserdicht nachzuweisen. Aber Zeit war eben das, was sie nicht hatten (oder tragischerweise glaubten sie das).

Lexx Offline



Beiträge: 3.730

28.09.2007 16:07
Justiz auf Abwegen Antworten
Spock:
"Aber was ist ein Rechtsstaat wert, der solch üble Täter nicht hinter Schloss und Riegel bringen kann?"

Was ist ein Rechtsstaat wert, der seine eigenen Prinzipien aufgibt, um "solch üble Täter" hinter Schloss und Riegel zu bringen?

Mit der gleichen Logik, wie sie in deiner Frage steckt, kann man auch das Unschuldsprinzip abschaffen, damit die organisierte Kriminalität endlich zeschlagen werden kann. Die Gegenfrage dazu ist aber richtigerweise: Was ist der Preis?
Vor Gericht sind schließlich alle gleich, also kann man keine Ausnahme machen, a la "Das Ergebnis der Folter" war gut, also bleibt die Folter straffrei. Sowas gibt es nicht. Entweder wird es unter bestimmten Umständen grundsätzlich erlaubt, dann muss man davon ausgehen, dass es früher oder später Unschuldige trifft, oder es bleibt grundsätzlich verboten.

Partei:
"Sämtliche Beweise und Aussagen folgten nach der 'Folter'."

Das spielt keine Rolle!
Ich habe letztens zufällig mal Law & order gesehen. Da ging es um die Frage, ob die Tatwaffe als Beweis zulässig ist. Der Täter wurde geschlagen und hat daraufhin den Ort der Waffe verraten (eine Regenrinne). Der Verteidiger wollte die Tatwaffe ausschließen. Der Richter hat sie zugelassen, entscheidendes Argument der Anklage: Die Polizei hat den gesamten Häuserblock durchsucht, und dabei auch in jeder Regenrinne nachgesehen. Die Waffe wäre also auch gefunden worden, ohne, dass der Täter den Ort verraten hat.
Nach dieser Logik ist nicht wichtig, ob ein Beweis vor oder nach einem erzwungenen Geständnis gefunden wurde, sondern ausschließlich, ob der Beweis ohne das Geständnis nicht gefunden worden wäre.
Zumindest nach amerikanischem Strafrecht ist ein Beweis also nicht generell unzulässig, weil er in Verbindung mit einem erzwungenen Geständnis gefunden wurde. Soweit ich kater verstanden habe unterscheidet sich das US-Recht in dieser Frage nicht vom deutschen.
kater_5 Offline

Besucher

Beiträge: 1.018

28.09.2007 16:15
Justiz auf Abwegen Antworten

Zitat:

Soweit ich kater verstanden habe unterscheidet sich das US-Recht in dieser Frage nicht vom deutschen.




Das hast Du falsch verstanden. Im deutschen Recht kann so eine Aussage oder solche Beweise durchaus genutzt werden. Im Prinzip macht das auch Sinn, denn nur weil sie rechtswidrig erlangt wurden sind sie ja nicht falsch und es geht ja primär um die Wahrheitsfindung.

Im angelsächsischen Recht dürfen solche Beweise aber nicht genutzt werden.

Das deutsche Gericht hatte auf Basis deutschen Rechts geurteilt, der EuGh auf Basis des europäischen Rechts. Ich vermute mal, dass die europäische Definition der Menschenwürde im weitesten Sinne eine Verurteilung auf einer solchen Beweislage nicht abdeckt und der EuGh deswegen so geurteilt hat.

Die spannende Frage ist eigentlich, ob man das europäische Recht eher auf angelsächsische oder auf deutsche Wurzeln stellt.

Sowas sind eigentlich Dinge, die in einer europäischen Verfassung mit einer europäischen Volksabstimmung geklärt werden müssten.

Gruss
Kater

Spock Offline



Beiträge: 2.377

28.09.2007 23:19
Justiz auf Abwegen Antworten
Lexx, den Zusammenghang zwischen Duldung von Folter und negativen Folgen für den Rechtsstaat haben hier alle längst verstanden, du musst das nicht wiederkäuen.

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