Martin:
Ich weiß, soziale Gerechtigkeit ist ein Thema, über das man gerne herzieht.
Die OECD sieht da aber etwas noch ganz anderes: "Laut OECD hat dies fatale Folgen - sozialversichungspflichtige Beschäftigung im Niedriglohnbereich entstehe erst gar nicht oder werde zu Gunsten beitragsfreier geringfügiger Beschäftigung sogar abgebaut."
Ist in meinem Eingangspost wohl etwas untergegangen.
Wenn durch eine Umschichtung von Sozialabgaben zu Steuern die Lohnnebenkosten in diesem Bereich gesenkt werden und dadurch mehr versicherungspflichtige Jobs entstehen, dann ist das ein Zusatznutzen, den man nicht verachten sollte.
"Könnte man nämlich genauso gut die relativ niedrigen Steuersätze erhalten, und den Menschen mehr Eigenverantwortung 'aufbürden'."
Nein, könnte man nicht. Dadurch würden zwar die mittleren Einkommen im Vergleich zu den hohen entlastet, das geht aber auf Kosten der niedrigen Einkommen, die die (für alle gleich hohen) Zusatzkosten am stärksten treffen. Für die niedrigeren Einkommen könnte die Belastung daher sogar steigen, während die höheren Einkommen und alle Einkommen insgesamt ein wenig entlastet werden könnten.
"Laut OECD hat dies fatale Folgen - sozialversichungspflichtige Beschäftigung im Niedriglohnbereich entstehe erst gar nicht oder werde zu Gunsten beitragsfreier geringfügiger Beschäftigung sogar abgebaut."
Das ist allerdings in meinen Augen ein ernstes Problem. Mit den 430 € Jobs hat man einen Sektor geschaffen, in dem kaum Sozialabgaben gezahlt werden, dennoch bekommen die Leute erhebliche Leistungen daraus. Mit Überschreiten dieser Grenze, also wenn so ein Job anfängt jemanden zu ernähren, werden schlagartig Sozialabgaben fällig.
Die OECD Studie und vor allem die Empfehlungen sind wohlfeiles Geschwätz.
Worum dreht sich denn die sozialpolitische Diskussion denn seit Jahren? Gesundheitsreform, Reform der Pflegeversicherung, Rentenreform, Senkung der Lohnnebenkosten usw. Als ob wir ohne die OECD nicht wüssten wo uns der Schuh drückt.
Da ist vermutlich genau so ein Profilierungssüchtiger am Werk wie der Heini, der uns regelmässig mit den PISA-Studien beglückt.
FW:
Ist die Studie dadurch denn überflüssig? Oder gar falsch? Ich verneine beides!
Dass sie falsch wäre sehe ich zur Zeit nicht und überflüssig ist sie schon deswegen nicht, weil sie als Argumentationsstütze dienen kann. Über die Lösungsvorschläge kann man freilich streiten. Bei der Mehrwertsteuererhöhung habe ich jedenfalls etwas schief geguckt.
Bei den Empfehlungen ist nichts dabei, was in der Diskussion nicht schon 1000x hin und her gewendet worden wäre.
Mit der letzten MwSt. Erhöhung ist ja genau das gemacht worden, zumindest mit der Hälfte, die dem Bund zusteht. Es wurden Zuschüsse an die Krankenkassen und RV gemacht um einen Anstieg der Beiträge zumindest zu dämpfen.
Kater schrieb:
Zitat:
Das ist allerdings in meinen Augen ein ernstes Problem. Mit den 430 € Jobs hat man einen Sektor geschaffen, in dem kaum Sozialabgaben gezahlt werden, dennoch bekommen die Leute erhebliche Leistungen daraus. Mit Überschreiten dieser Grenze, also wenn so ein Job anfängt jemanden zu ernähren, werden schlagartig Sozialabgaben fällig.
Diese Regelung gehört schlicht abgeschafft.
Interessant, ab 431 € kann man davon leben?
Aber es stimmt schon, der Sprung ist hart. Aber ein Zurückdrehen der 430€ Jobs wäre der falsche Weg. Ein sanfterer Übergang mit abgesenkten Beitragssätzen hat nur das Problem, das Martin erwähnt hat. Mit geringeren Beiträgen erwerben die Beitragszahler in die RV und die ALV so geringe Ansprüche, das man es auch ganz sein lassen kann. Anders sieht es bei der KV aus. Da gibt es keine Korrelation zwischen Beiträgen und Leistungen.
ich habe 'soziale Gerechtigkeit' nicht mal im Ansatz erwähnt. Ich habe lediglich darauf hingewiesen, dass die OECD nur die Abgabenseite, aber nicht die Leistungserbringung durch gesetzliche Krankenkassen und Renten-/Arbeitslosenversicherung analysiert hat. Wenn ich über Kostensenkung nachdenke, dann muss ich erst mal die 'AGB' studieren, ob diese angemessen sind. Mit Hartz IV wurde gerade an diesen 'AGB' heftig gefeilt, und dasselbe passiert auch bei der sogenannten Gesundheuitsreform.
Wenn D mit anderen Ländern verglichen werden soll, dann könnte man ja das Gesundheitssystem und die Randbedingungen für Arbeitslosigkeit anderer Länder übernehmen, und höhere Ansprüche auf die private Vorsorge verlagern.
Eine Verlagerung auf Steuerfinanzierung ist immer eine Verschleierung der tatsächlichen Systemkosten und hat die Tendenz aus dem Ruder zu laufen.
FW: "Bei den Empfehlungen ist nichts dabei, was in der Diskussion nicht schon 1000x hin und her gewendet worden wäre.
Mit der letzten MwSt. Erhöhung ist ja genau das gemacht worden, zumindest mit der Hälfte, die dem Bund zusteht. Es wurden Zuschüsse an die Krankenkassen und RV gemacht um einen Anstieg der Beiträge zumindest zu dämpfen. "
Dann haben wir immernoch eine abweichende Meinungsführerschaft, denn die MWSt-Erhöhung wurde mehrheitlich verdammt, genauso wie die Verwendung der Mittel.
"Martin: "Ich habe lediglich darauf hingewiesen, dass die OECD nur die Abgabenseite, aber nicht die Leistungserbringung durch gesetzliche Krankenkassen und Renten-/Arbeitslosenversicherung analysiert hat. "
Darum ging es in der Studie ja auch nicht!
"Eine Verlagerung auf Steuerfinanzierung ist immer eine Verschleierung der tatsächlichen Systemkosten und hat die Tendenz aus dem Ruder zu laufen."
Ich stimme zu, dass eine solche Verlagerung keine nachhaltige Lösung sein kann. Im Sinne des OECD-Vorschlags sehe ich sie vornehmlich als Übergangslösung zur Entlastung der mittleren und unteren Einkommen, bis eine nachhaltige Lösung für die Systeme gefunden wird.
Dann darf man über diese Verschleierung allerdings nicht den Reformbedarf vergessen.
Lexx schrieb am 22.10.2007 19:49 "Martin: "Ich habe lediglich darauf hingewiesen, dass die OECD nur die Abgabenseite, aber nicht die Leistungserbringung durch gesetzliche Krankenkassen und Renten-/Arbeitslosenversicherung analysiert hat. "
Darum ging es in der Studie ja auch nicht!
Nun, wenn Du so neugierig bist, wie Du anfangs vorgegeben hast, dann muss Dich schon interessieren, ob hier Äpfel mit Birnen verglichen wurden. Und wenn Du siehst, wie sehr Politiker einmal etablierte Abgabeflüsse vereinnahmen (aktuell Beck, auch Soli, u.a.), dann verstehst Du vielleicht, dass es besser ist, den Anfängen zu wehren. Glos will nun die Sozialabgaben senken, Beck will auf die ALV draufsatteln, und die Abgabe konstant halten. Soll das nun durch Steuerquersubventionierung unterstützt werden?
Martin:
Einerseits hast du Recht, eine vollständige umfassende Betrachtung ist aufschlussreicher.
Andererseits war/ist mein Interesse hier sehr themenspezifisch auf die Abgabenlast gerichtet, weil durch die Meldung impliziert.
Wenn du über die anderen Aspekte diskutieren willst musst du mir etwas Zeit geben, damit ich mich hineindenken kann.
Beim ALG I bin ich übrigens zum ersten mal überhaupt eindeutig auf Seiten der CDU. Dass die (jedenfalls teilweise) Schröders Reformen verteidigt ist schon irgendwie paradox.....
"Soll das nun durch Steuerquersubventionierung unterstützt werden? "
Was Beck will ist ein anderes Prinzip. Es ist keine Umverteilung der Lasten nach Einkommen, sondern es ist eine Mehrbelastung für die Älteren. Von Mehrbelastung (summa summarum) redet aber weder die OECD noch die CDU noch ich.
Man könnte die Umverteilung auch kassenintern gestalten, indem man einfach alle gesetzlich versichert und die Beitragsbemessungsgrenze abschafft (Modell Bürgerversicherung). Das wäre wie eine Umverteilung auf Steuern, nur transparenter und keine "Quersubvention", doch im Resultat das gleiche.