Bauern vs. Grossabnehmer. Wer gedacht hätte, den Bauern gehe es nach dem rasanten Anstieg der Lebensmittelpreise prächtig und alles sei in Butter wird durch den Preiskampf bei der Milch eines besseren belehrt.
Darum gehts:
Die Bauern protestieren, weil der Milchpreis auf 35 bis 27 Cent gesunken ist. Die Streikenden fordern von den Molkereien mindestens 40 Cent je Liter.
Die Molkereien und Grossabnehmer betrachten den Markt aus der internationalen Perspektive. Hier ist der Milchpreis konstant geblieben und sank sogar leicht. Auf die Preise habe der Streil ohnehin keine Auswirkung, erklärten die Großabnehmer, da die Verträge zwischen den Molkereien und dem Handel für die nächsten sechs Monate abgeschlossen sind.
Auch in den Ansichten über die Auswirkungen des Streiks sind sich Bauernverband und Abnehmer erwartungsgemäss uneinig. Der Bundesverband der Milchviehhalter kündigt bereits einen "Kollaps der Milchversorgung" an - noch in dieser Woche soll es so weit sein. Die Milch verarbeitende Industrie erklärt dagegen, nur ein Bruchteil der Bauern beteilige sich an dem Lieferstopp. Außerdem habe der Ausfall wegen des bestehenden europaweiten Überangebots keine Auswirkungen. Der Agrar- und Ernährungswissenschaftler Thomas Fellmann von der Universität Hohenheim sagte, der Streik werde keine allzu großen Auswirkungen haben. Es gebe in Europa eine Überproduktion von Milch. Das sei auch der Grund für den gesunkenen Preis. Mit ihren Milchquoten habe die EU den Milchpreis erhöht und unrentable Betriebe künstlich am Leben gehalten.
Anonymer User schrieb am 29.05.2008 21:09
Wo wird denn die deutsche Milch überall hinverfrachtet? Lateinamerika? Alaska?
In Form von Milchpulver kann sie überall hin verfrachtet werden und China war eine Weile tatsächlich grosser Aufkäufer auf den Weltmärkten.
Mittlerweile macht aber der starke € den europäischen Exporteuren einen Strich durch die Rechnung. Ausserdem investieren die Chinesen viel Geld in die Entwicklung ihrer eigenen Milchwirtschaft die bereits anfängt nennenswert den eigenen Markt zu beliefern.
Natürlich sitzen die Milchbauern in der Kostenfalle. Die Preise für Energie und Futtergetreide steigen und die Abnahmepreise für die Milch sinken nach dem kurzen Höhenflug wieder. Ihr Unmut ist deshalb verständlich.
Aber mein Mitgefühl hält sich in Grenzen. In Europa scheint es ja eine strukturelle Überpoduktion zu geben. Die verschwindet erst, wenn ausreichend viele Produzenten aus dem Markt ausscheiden - und dazu brauchts halt eine Weile nicht kostendeckende Erlöse. Glücklicherweise haben wir auf der Absatzseite einen knallharten Wettbewerb, der die niedrigen Preise schnell an die Erzeuger weiterleitet. Ich kann den Verbrauchern deshalb trotz aller Dummschwätzerei nur empfehlen gerade auch bei Lebensmitteln auf die Preise zu achten.
Als ich noch vor 10 Jahren bei der ZMP gearbeitet habe, war es ein offenes Geheimnis, dass die Bauern sich zwar immer als Unternehmer aufspielen - in Wahrheit aber den Markt fürchten, wie der Teufel das Weihwasser. Die Landwirtschaftssubventionen in der EU -speziell in Deutschland und Frankreich- spotten jeder Beschreibung.
Bemerkenswerte Ausnahme dabei sind in diesem Fall ausgerechnet mal die Ökoprodukte, die im landwirtschaftlichen bereich gerade KEINE nennenswerten Subventionen bekommen (also beispielsweise im Gegensatz zu den "Öko"produkten im Energiemarkt). Deswegen gab es für Ökoprodukte im Agrarsektor zwar keine Quotenregelung, dafür aber auch knallharten Wettbewerb einschließlich freien Preisen.
Wir haben eine teure und überholte Betriebsstruktur im Agrarsektor - alle Beteiligten wissen das. Wir haben zu kleine Betriebe, zu viele Betriebe, zu wenig spezialisierte Betriebe, zu wenig Wettbewerb und zu viele Quoten.
Das ist bitter für die kleinbäuerlichen Betriebe. Aber so geht es nicht weiter: der Agrarsektor verschlingt einfach zu viel Geld.
MfG Frank
Jetzt haben sie es also geschafft: Die Lidls erhöhen Milch- und Butterpreis - und geben nichts davon an die Bauern ab.
Dass die Verbraucher bereit seien, freiwillig mehr für die Milch zu zahlen ist sowieso ein Märchen - auch wenn die Bauernlobby von Seehofer bis Künast dies ständig versuchen uns einzureden. Tatsache ist, dass die Kunden die Butter zu den alten Preisen noch schnell aus den Regalen räumt. Es wird also nicht lange dauern, bis Milch und Butter wieder als Lockvögel auf den Flyern der Discounter auftaucht und die gerade herausgeholte Extramarge langsam wieder dahinschmilzt.
Die Minderheit der Verbraucher, die bereit ist mehr zu zahlen, tut dies schon längst indem sie überteuerte Biomilch kauft. Deren Produzenten und ihr Produkt sind aber von den Milchpreisauseinandersetzungen nicht betroffen. Zumindest nicht direkt. Ein Bio-Bauer brachte es im ZDF auf den Punkt: Die Opferbereitschaft seiner Kunden beschert ihm nicht nur höhere Preise, sondern sogar Gewinne. Aber die Opferbereitschaft habe auch Grenzen. Wenn die Differenz zur konventionellen Milch zu gross wird, geht auch überteuerte Biomilch nicht mehr.
Deswegen dürften alle Sympathien der Biobauern Lidl & Co. und deren Preiserhöhungen gelten, weil sie so dafür sorgen, dass die Preisakzeptanz in ihrem Marktsegment erhalten bleibt.
...und naiv ist, wer jetzt glaubt die Sache sei gegessen. Denn die Molkereien beliefern bei weitem nicht nur die Discounter, sondern auch Milchpulver-Hersteller, Käsereien, Buttereien, Quarkereien, Joghurtereien , und darüber alle Nahrungsmittel mit Milchprodukten, von der Pizza bis zur Terrine.
Es wird schlicht zuviel Milch produziert und in Zukunft wird noch mehr Milch als jetzt produziert.
Was wird passieren?
Der Milchpreis wird sinken.
Es sei denn, er wird von den Discountern künstlich hochgehalten.
Jedenfalls liegt das Problem bei den Milchbauern.
Können hinreichend viele Betriebe zu den gegebenen Preisen nicht kostendeckend arbeiten, müssen sie dicht machen. Also Folge verknappt das Angebot und die Preise pendeln sich neu, d.h. weiter oben, ein. So die Theorie.
Es haben zwar in der Vergangenheit jede Menge kleine Erzeugerbetriebe dicht gemacht, aber die dazugehörigen Milchquoten werden zu hohen Preisen verkauft. Trotz sinkender Anzahl der Erzeuger sinkt die Produktion nicht. Die EU hat die Milchquoten für dieses Jahr sogar noch leicht erhöht. Also stimmt da was nicht. Vermutlich ist es die Klage der Bauern, zu den Preisen nicht auskömmlich produzieren zu können. Sonst müssten ja freie Quoten nicht verkäuflich sein.
Der Handel kann auf Dauer die Preise nicht künstlich hochhalten. Dann sinkt der Volumenabsatz und die Verkaufspreise brechen dann irgendwann mal schlagartig ein. Man kann nämlich auch auf Milch ganz verzichten, wenn sie einem zu teuer ist.