Wie die Welt und der Focus schreiben gibt es neue Leitlinien der Generalstaatsanwälte. Danach weigern sich die Staatsanwaltschaften mehrerer Bundesländer seit einigen Wochen, kleine Raubkopierer zu verfolgen.
Die Musik- und Filmindustrie zeigt sich von den neuen Leitlinien natürlich enttäuscht. "Raubkopien sind kein Bagatelldelikt. Das ist so, als würde die Justiz plötzlich Ladendiebstahl nicht mehr verfolgen", so Daniel Knöll vom Bundesverband Musikindustrie.
Am Ende obsiegte einfach die Handhabbarkeit. Raubkopieren soll justiziabel bleiben aber wenn jede einzelne Kopie nun ein Fall für die Justiz werden sollte dann hätten die viel zu tun.
Ist das der Auftakt zu neuen grossen Tauschbörsen?
"Ist das der Auftakt zu neuen grossen Tauschbörsen?"
Ich glaube nicht, dass sich da grossartig viel ändert. Es ging doch eh jeder davon aus, dass er nicht erwischt wird.
Allerdings finde ich, dass das das falsche Signal ist. Das Tauschen von Werken anderer ist nun mal nicht erlaubt. Wer glaubt, dass er nun unbedingt bestimmte Musik haben muss, muss sie eben kaufen. Und wenn er sich das nicht leisten kann, geht das eben nicht.
Was ich allerdings problematisch finde, ist diese Abzocke durch die Anwaltsfirmen. Da hätte man lieber was machen sollen.
Es kann ja auch nicht sein, dass die Staatsanwälte unerlaubte Handlungen nicht verfolgen, weil sie keine Zeit hat. Und ich finde auch, dass die Hersteller dieser Musik ein Recht haben, zu erfahren, wer da unerlaubt ihre Musik nutzt.
Sicher nicht, denn die Server der Tauschbörsen werden nach wie vor konsequent weggeklagt.
Was hier dahinter steckt ist folgendes:
Die Musikindustrie beauftragt Argenturen, Kanzleien, wie auch immer damit, Schwarzkopierer zu finden. Was die finden sind aber nur IP-Adressen. Deswegen wird ein Strafverfahren eingeleitet, damit man über den Staatsanwalt an die echten Adressen kommt und den Kopierer zivilrechtlich belangen kann.
Die Strafverfahren werden in den allermeisten Fällen aus mangel öffentlichen Interesses oder ähnlichen Gründen eingestellt.
De Facto ist die Staatsanwaltschaft also nur der Adresslieferant für die Schwarzkopie-Jäger. Sie hat die ganze Arbeit und den Aktenaufwand, ohne dass am Ende was dabei rauskommt.
Die Aufregung vom Lobbyisten ist scheinheilig. Die Musikindustrie durchkämmt mit spezieller Software die Tauschbörsen und macht massenhaft die IP-Adressen der Tauscher ausfindig. Die Listen gibt sie an die Staatsanwaltschaft. Nur: Die Musikindustrie ist an der strafrechtlichen Seite gar nicht primär interessiert - vielmehr geht es darum, an die Adressen der Tauscher zu kommen und sie (oft Jugendliche) mit kostspieligen Abmahnverfahren gefügig zu machen.
Nun ist wohl in jüngerer Zeit auch noch die Schattenwelt der Pornoindustrie auf diesen Zug aufgesprungen und versuchte mit der Staatsanwalt als Hebel Adressen von Downloadern ausfindig zu machen - auch dies kaum zum Gefallen der Rechtspflege sondern zum Füllen der eigenen Taschen.
Dass hier irgendwo das Maß voll ist, sollte nachvollziehbar sein.
Das war jetzt die wertende Variante meines Beitrages
Bei der Pornoindustrie (danke für das Stichwort) ist es sogar soweit gekommen, dass zumindest ein Hersteller schlecht laufende Filme zum illegalen Download ins Internet gestellt hat um die Downloader dann über Abmahnungen abzukassieren und so die Einnahmen des Films zu steigern.
Spätestens da kann man mit einigem Recht vom Missbrauch der Justiz reden, finde ich.
Und, ja, auch bei der Musikindustrie geht es in den allerwenigsten Fällen wirklich um das Strafverfahren (wie vorher bereits erwähnt). Dass da die Justiz nen Deckel draufmacht und sagt "unsere Staatsanwälte haben besseres zu tun" kann ich da schon irgendwie nachvollziehen, wenngleich das natürlich das Urheberrecht schwächt.
Eine Berliner Oberstaatsanwältin erläutert in der Süddeutschen Zeitung, warum sie bei Anzeigen gegen Filesharer nicht mehr ermittelt und Abmahnanwälte abblitzen lässt:
Die bloße Nachfrage beim Provider wäre zwar nicht aufwändig, aber sie bringt auch nicht viel. Um herauszufinden, welche Person tatsächlich die Tauschbörse genutzt hat, müssten wir eine Hausdurchsuchung machen, den Rechner beschlagnahmen, Zeugen befragen et cetera. In einer Wohnung leben ja meist mehrere Menschen, viele arbeiten mit WLAN, das auch Fremde nutzen können, wenn es nicht verschlüsselt ist.
Diesen Aufwand finden wir gemessen an der Tat unverhältnismäßig. Wir können nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen und Grundrechtseingriffe vornehmen, die eigentlich für andere Taten vorgesehen sind. Wir machen ja auch keine Hausdurchsuchung wegen einer Beleidigung. … Die Verfehlung ist einfach zu gering, um den ganzen Rechtstaat daraufzuwerfen. Wir sind ja zum Schutz des Bürgers da und müssen auch dafür sorgen, dass Beschuldigte nicht mit Eingriffen konfrontiert werden, die unverhältnismäßig sind.
Klingt vernünftig. Natürlich jault die Industrie jetzt erstmal, aber langfristig werden sie nicht um den Fakt herumkommen, neue Modelle zu finden um die Verluste zumindest teilweise wettzumachen. Der Mehrwert der CD/DVD muss klarer werden, der Vorteil des hardwarelosen downloads genutzt, freilich bei besserem Preis als jetzt und bei grösserem und übersichtlichem Produkteangebot als bisher etc.
Nicht nur mit Konzerten, auch der legale Download-Handel verzeichnet große Zuwächse.
Vermutlich dürfte das das Modell der Zukunft werden: günstige Downloads für alle (für weniger als 50 ¢ pro Lied) und CDs als "Premium"-Angebot oder Werbegeschenk, wie kater gesagt hat.
kater_5 schrieb am 06.08.2008 10:12
Angeblich verdienen die ja jetzt schon mehr Geld mit Konzerten als mit der CDs.
Viellleicht sollte man das einfach ausbauen und die CDs im Extremfall sogar verschenken, damit die Leute in die Konzerte kommen.
Die kann man nämlich nicht kopieren.
Gruss
Kater
Das ist eindeutig der Trend. Madonna hat als erster Superstar ihren Vertrag mit ihrem bisherigen Plattenlabel gekündigt bzw. nicht erneuert und hat als Hauptvertragspartner einen Konzertveranstalter. Die Scheibenpresser sind nur noch Unterlieferanten.
Bei den Stones sind zumindest die Umsätze aus Konzerten höher als die Plattenumsätze, wie es mit den Gewinnen am Ende aussieht, sagen sie nicht. Aber für lau tun sie sich die Tour-Tortutur sicher nicht an.
Ein sicheres Zeichen dafür, dass eine Industriebranche ihren Höhepunkt überschritten hat ist für mich, wenn Grosskonzerne sich aus ihnen zurückziehen. Das war, als die Gebrüder Hertz (Tchibo, Beiersdorf) Reemstma verkauft haben und passiert jetzt mit dem Rückzug von Bertelsmann aus dem Musikgeschäft. Sie haben ihre 50% an Sony-BMG an ihren Partner abgegeben.
Eine Berliner Oberstaatsanwältin erläutert in der Süddeutschen Zeitung, warum sie bei Anzeigen gegen Filesharer nicht mehr ermittelt und Abmahnanwälte abblitzen lässt:
Wir sind ja zum Schutz des Bürgers da und müssen auch dafür sorgen, dass Beschuldigte nicht mit Eingriffen konfrontiert werden, die unverhältnismäßig sind.
Ich war kurzzeitig der Anischt, die StA sei auch zum Schutz der Industrie und der Urheber da. Wenn eine ganze Industrie (und die dahinter stehenden Künstler) unter der epidemischen Verbreitung von Kleinstkriminalität leidet, sollte man schon verlangen dürfen, daß die StA das etwas differenzierter sieht.
Hat die StA eigentlich auch beim minerschweren Versicherungsbetrug kapituliert?
F-W schrieb am 06.08.2008 23:13
Ein sicheres Zeichen dafür, dass eine Industriebranche ihren Höhepunkt überschritten hat ist für mich, wenn Grosskonzerne sich aus ihnen zurückziehen. Das [...] passiert jetzt mit dem Rückzug von Bertelsmann aus dem Musikgeschäft. Sie haben ihre 50% an Sony-BMG an ihren Partner abgegeben.
Ein sicheres Zeichen dafür, dass eine Industriebranche wieder auf dem aufsteigenden Ast ist, ist für mich, wenn Großkonzern darein investieren. So hat beispielsweise Sony gerade die anderen 50% an SonyBMG von seinem Partner erworben.
F-W schrieb am 06.08.2008 23:13
Ein sicheres Zeichen dafür, dass eine Industriebranche ihren Höhepunkt überschritten hat ist für mich, wenn Grosskonzerne sich aus ihnen zurückziehen. Das [...] passiert jetzt mit dem Rückzug von Bertelsmann aus dem Musikgeschäft. Sie haben ihre 50% an Sony-BMG an ihren Partner abgegeben.
Ein sicheres Zeichen dafür, dass eine Industriebranche wieder auf dem aufsteigenden Ast ist, ist für mich, wenn Großkonzern darein investieren. So hat beispielsweise Sony gerade die anderen 50% an SonyBMG von seinem Partner erworben.
rw
Punkt für dich. Fragt sich nur, warum die beiden Konzerne die Branche so unterschiedlich sehen. Immerhin kämpft sie mit horrenden Verlusten, rückläufigen Verkaufszahlen von über 20% pro Jahr und hat seit 2000 ihr Personal um die Hälfte abgebaut.
<< Ich war kurzzeitig der Anischt, die StA sei auch zum Schutz der Industrie und der Urheber da. Wenn eine ganze Industrie (und die dahinter stehenden Künstler) unter der epidemischen Verbreitung von Kleinstkriminalität leidet, sollte man schon verlangen dürfen, daß die StA das etwas differenzierter sieht.
Hat die StA eigentlich auch beim minerschweren Versicherungsbetrug kapituliert? >>
Das ist so ähnlich wie im Drogengeschäft. Da wird der Besitz für den Eigenbedarf auch nicht mehr verfolgt, man jagt nur noch die Dealer.
F-W schrieb am 06.08.2008 23:13
Ein sicheres Zeichen dafür, dass eine Industriebranche ihren Höhepunkt überschritten hat ist für mich, wenn Grosskonzerne sich aus ihnen zurückziehen. Das [...] passiert jetzt mit dem Rückzug von Bertelsmann aus dem Musikgeschäft. Sie haben ihre 50% an Sony-BMG an ihren Partner abgegeben.
Ein sicheres Zeichen dafür, dass eine Industriebranche wieder auf dem aufsteigenden Ast ist, ist für mich, wenn Großkonzern darein investieren. So hat beispielsweise Sony gerade die anderen 50% an SonyBMG von seinem Partner erworben.
rw
Punkt für dich. Fragt sich nur, warum die beiden Konzerne die Branche so unterschiedlich sehen. Immerhin kämpft sie mit horrenden Verlusten, rückläufigen Verkaufszahlen von über 20% pro Jahr und hat seit 2000 ihr Personal um die Hälfte abgebaut.
Keine Ahnung, was das Rational hinter dem Deal ist - aber ich konnte die Steilvorlage einfach nicht ungenutzt lassen.